Aufruf zur Demonstration am 8. März 2024
um 18 Uhr am Max-Ophüls-Platz in Saarbrücken.
Patriarchale Gewalt ist eines der weltweit größten Gesundheitsrisiken für Frauen und hat viele Gesichter: Geschlechtsspezifische Gewalt, die als Waffe in Kriegen oder zur Bekämpfung von Widerstand eingesetzt wird. Gewalt im Namen einer Kultur, wie zum Beispiel bei weiblicher Genitalverstümmelung. Frauenhandel oder Prostitution. Häusliche, partnerschaftliche oder sexuelle Gewalt. Patriarchale Gewalt dient der Unterdrückung weiblicher Emanzipation und Selbstbestimmung. Patriarchale Gewalt hat System. Sie will alle bestrafen, die den Erwartungen an Hausarbeit, sexuelle Verfügbarkeit, Unterordnung unter Rollenbilder oder Sexualmoral nicht entsprechen wollen oder gar das Geschlechtersystem als solches in Frage stellen.89.000 vorsätzliche Tötungen von Frauen und Mädchen wurden im Jahr 2022 (dem letzten von der UN statistisch erfassten Jahr) weltweit registriert. Das sind so viele wie seit 20 Jahren nicht. Etwa die Hälfte der Frauen und Mädchen wurden durch Familienangehörige oder Partner ermordet. Die globale multiple Krise des Kapitalismus führt zu einer weltweiten Verarmung und Zerrüttung sozialer Beziehungen. Sie führt zu einem Wiedererstarken konservativer und patriarchaler Weltbilder, zu einem Erstarken der patriarchalen Kultur, die tötet.
In den letzten Jahren hat sich diese Gewalt brutal entladen. Unerträglich sind die Schläge, die von den verschiedenen Abteilungen des Patriarchats gegen Frauen und die Frauenbewegung geführt werden. In Kolumbien wurde der Generalstreik 2021 mit konterrevolutionärer Gewalt niedergeschlagen. Brutale sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Queers war, wie schon lange von den Paramilitärs gegen die Guerilla praktiziert, ein kalkulierter Teil der Aufstandsbekämpfung. Im Iran tobt die Konterrevolution der Mullahs. Seit dem mutigen Aufstand der iranischen Frauen und ihrer Verbündeten sind Hunderte von Menschen vom Regime gefoltert und ermordet worden. Im Sudan tobt - von der Welt weitgehend ignoriert - seit dem Putschversuch der von Deutschland ausgebildeten und finanzierten Schlächter der Rapid Support Forces, ein Bürgerkrieg mit Tausenden von Toten, Millionen von Flüchtenden und ethnischen Säuberungen. Begleitet wird das alles von brutaler sexualisierter Gewalt, seit es 2019 um die Niederschlagung der demokratischen Aufstände ging.
Der jüngste genozidale Terrorangriff der Hamas und anderer palästinensischer Milizen am 7. Oktober 2023 hat schockierende Akte sexualisierter Gewalt gegen Frauen offenbart. Überlebende berichten von Vergewaltigungen, Folter, Mord und Leichenschändungen. Die Grausamkeit der Taten lässt sich nicht in Worte fassen. Mehr als 130 Geiseln befinden sich nach wie vor in den Händen islamistischer Mörderbanden. Der Hass der Islamisten richtet sich nicht nur gegen die jüdische nationale Emanzipation und die Emanzipation des jüdischen Lebens in der Region, sondern auch gegen die Emanzipation der Frauen in Israel und Gaza. Der 7. Oktober ist ein Fanal der wütenden antisemitischen und antifeministischen aus dem Iran gesteuerten Konterrevolution. Dennoch zögerten Feminist:innen und internationale Organisationen, einschließlich der UN, diese Verbrechen zu verurteilen. Sie griffen auf altbekannte Muster der Relativierung zurück. Die Leugnung der Erfahrungen der Betroffenen und die Umkehr der Täter-Opfer-Beziehung im Rahmen antisemitischer Verschwörungstheorien sind widerlich. Internationale feministische Solidarität ist unteilbar. Wir fordern feministische Einheit und setzen uns für ein Ende der selektiven Anerkennung von Gewalt aufgrund nationaler oder ethnischer Zugehörigkeit ein. Wir unterstützen die Entwaffnung und Zerschlagung der Hamas sowie aller anderen Täterstrukturen, die für das antisemitische Massaker vom 7. Oktober 2023 verantwortlich sind und Israel bedrohen - den einzigen Staat der Region, in dem Frauen und Queers ähnliche Freiheiten genießen können wie sie beispielsweise in Deutschland erkämpft wurden.
Auch wenn die Frauenbewegung in Deutschland schon einige Erfolge errungen hat und die herrschende Klasse und ihr Staatsapparat heute feministische Strukturen und Themen in ihre Herrschaftsstrategie einbeziehen: Die Verhältnisse in Deutschland sind keineswegs so, dass man mit erhabenem Blick auf andere Regionen der Welt schauen könnte. Dieser Chauvinismus ist überheblich. Feministische Themen werden zwar als Vorwand und Druckmittel benutzt, um deutsche Interessen weltweit durchzusetzen. Die Realität von Frauen in Deutschland ist aber mitunter nach wie vor eine Hölle. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt um 13 Prozent gestiegen, im Saarland 2022 sogar um 19 Prozent. Auch die Fälle von Partnerschaftsgewalt haben zugenommen. Opfer sind überwiegend Frauen, die Täter fast ausschließlich Männer. Jede Stunde werden in Deutschland 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Mehrmals pro Woche führen diese Übergriffe zum Femizid. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 114 Frauen von einem Mann getötet, der in einer intimen Beziehung zu ihnen stand. Im Jahr 2024 dauerte es 16 Tage, bis es zum ersten Femizid im Saarland kam. Die ständige Bedrohung von Frauen durch patriarchale Gewalt ist auch in Deutschland Realität. Patriarchale Kultur tötet, und sie tötet auch in Deutschland!
Dass es in Deutschland einen gesetzlichen Schutz gegen patriarchale Gewalt gibt und dieser besser durchgesetzt wird als in vielen Teilen der Welt, haben wir allein feministischen Kämpfen zu verdanken. Der Staat ist und bleibt dabei der Gegner, dem gesellschaftlicher Fortschritt abgerungen werden muss. Allerdings werden auch selbst viele gesetzliche Errungenschaften nicht durchgesetzt. So hat die Bundesrepublik Deutschland 2018 die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ratifiziert. Damit verpflichtet sich Deutschland unter anderem zur Einrichtung von Frauenhäusern. Eine Recherche von Correctiv.org zeigt aber: Es werden deutlich mehr Frauenhausplätze benötigt als vorhanden. Von den 310 Frauenhäusern in der BRD, die 2023 befragt wurden, hatten ganze 70 Prozent keinen einzigen freien Platz mehr. Besonders prekär ist die Situation im Saarland. Hier kommen auf 7.500 Einwohner:innen lediglich 0,42 Plätze. Nur drei der sechs saarländischen Landkreise verfügen bislang über ein solches Angebot. Und die Frauenhäuser, die existieren, wurden in weiten Teilen nicht vom Staat, sondern von der autonomen Frauenbewegung aufgebaut. Aufgrund der Kostenbeteiligung ist die Inanspruchnahme häufig auch eine Klassenfrage. Verschärft wird diese Situation durch die brutale Kürzungspolitik der Landesregierung. Eine Analyse des Europarats bescheinigt Deutschland gravierende Defizite beim Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Wir kämpfen für das Recht auf eine kostenfreie Schutzinfrastruktur und breit angelegte Aufklärung für Betroffene von patriarchaler Gewalt! Auch auf europäischer Ebene agiert der deutsche Staat als Hindernis für feministischen Fortschritt. Nur das Einverständnis kann Grundlage sexueller Handlungen sein, heißt es in der Istanbul-Konvention. Das Prinzip „Nur ein Ja ist ein Ja.“ will die EU nun als Grundlage für ein europäisches Sexualstrafrecht festschreiben. Sex ohne Einverständnis wäre demnach auch gesetzlich Vergewaltigung. Doch vor allem Deutschland blockiert. Ohne die Zustimmung Deutschlands ist die Reform zum Scheitern verurteilt.
In vielen Teilen der Welt erstarken die Faschist:innen. In Italien regiert die Koalition um die "Fratelli di Italia". In Frankreich liegt die extrem rechte Partei Le Pen in den Wahlprognosen für 2027 weit vorne. In Argentinien regiert der rechte Anarcho-Kapitalist Milei. In Deutschland liegt die AfD zum Teil bei über 30 Prozent. Eine Rücknahme emanzipatorischer Reformen ist überall dort zu erwarten, wo Rechte an der Macht sind. In vielen Ländern ist es bisher noch nicht gelungen, gleichwertige Errungenschaften gegen religiös-patriarchale Verhältnisse zu erkämpfen. Andernorts sind sie der wütenden islamistischen Konterrevolution gar zum Opfer gefallen. Offene patriarchale Unterdrückung durch Vormundschaftssysteme oder Geschlechtertrennung besteht in vielen Ländern fort. Oft gibt es keine legalen Möglichkeiten für feministische Kämpfe. Wir solidarisieren uns mit allen, die patriarchale Gewalt erfahren und feministische Kämpfe dagegen führen. Der Kampf für die Sicherheit von Frauen schließt die Kämpfe gegen patriarchale Bevormundung, die Kämpfe für demokratische Rechte und gegen ökonomische Abhängigkeiten ein. Sicherheit, die nicht einfach patriarchale Bevormundung ist, setzt Frauenbefreiung voraus. Es gilt, die patriarchalen Institutionen der bürgerlichen Ehe und des Kapitalismus sowie die Sexualität dieser Gesellschaft (kultur)revolutionär zu überwinden. Die Befreiung kann nur im kollektiven Kampf der Frauen liegen. Sie müssen sich mit der Arbeiter:innenklasse und allen anderen Unterdrückten verbinden.
Freiheit ohne Angst sowie Sicherheit ohne Bevormundung können nur durch eine starke Frauenbewegung geschaffen werden. Deshalb organisiert euch, verbündet euch und geht mit uns am Internationalen Frauenkampftag auf die Straße!
Ein Aufruf des Bündnis Internationaler Frauenkampftag.